Tag: Januar 21, 2012
Ist Gerhard Amendt homophob?
Hinrich Rosenbrock unterstellt in seiner „Expertise“ – ich halte diese Arbeit für keine Expertise im wissenschaftlichen Sinne – für die Heinrich-Böll-Stiftung, erschienen in Band 8 der Heinrich-Böll-Stiftung, Schriften des Gunda-Werner-Instituts, unter dem Titel Die antifeministische Männerrechtsbewegung. Denkweisen, Netzwerke und Online-Mobilisierung Professor Dr. Gerhard Amendt eine homophobe Einstellung, mit Verweis auf tief sitzende homophobe Vorurteile.
Wir wollen uns besagten Teil der „Expertise“ in der Folge ansehen. Zuvor möchte ich noch etwas zu Professor Amendt schreiben. Professor Dr. Amendt ist ein deutscher Soziologe und war bis zu seiner Emeritierung 2003 Professor am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung der Universität Bremen. Noch vor Kurzem (Winter 2011) wurde Professor Amendt auf emma.de von der wohl immer noch bekanntesten und einflussreichsten linken Feministin Deutschlands, Alice Schwarzer, ein gute[r] Ruf in linksliberalen Kreisen, für die Vergangenheit zugestanden.
Doch kommen wir nun zu besagtem Werk. Auf den Seiten 53 und 54 sind die Aussagen und Behauptungen bzw. Schlussfolgerungen zur angeblichen Homophobie Professor Amendt’s zu lesen. Ich zitiere den gesamten Text, samt Fußnoten und erörtere im Folgenden den Text, in dem ich ihn in zwei Teilbereich aufgliedere:
Außerdem setzt er sich mit Fragen zu Elternschaft und Vaterschaft auseinander. In diesem Kontext lehnt Amendt «homosexuelle Fortpflanzung aus Interesse am Wohl der Kinder und der Kultur» ab und sieht im Kontext von Scheidungen vor allem das Problem des «Vaterschaftsverlustes» durch «Scheidungsmythen», womit er die – nicht belegte – Abwertung von Männern u.a. durch ihre Exfrauen meint.129 Eine homophobe Einstellung findet sich auch [Hervorhebung, terminatus30] noch in weiteren Äußerungen. So behauptet Amendt ohne Beleg, dass «lesbische Beziehungen nach dem Stand der Forschung keineswegs himmlische, sondern erheblich gewalttätigere Verhältnisse als heterosexuelle Beziehungen sind.»130 Demgegenüber stellte Constance Ohms fest, dass es in Deutschland keine quantitativen Untersuchungen zum Vorkommen von häuslicher Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt. Der Vergleich mit anderen Ländern lege aber nahe, dass Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften «annähernd so häufig anzutreffen ist wie in heterosexuellen».131 Solche pauschalen Äußerungen ohne Belege verweisen auf tief sitzende homophobe Vorurteile [Hervorhebung, terminatus30].
129 Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft [Hrsg.]: Kultur, Kindeswohl und homosexuelle Fortpflanzung, von Gerhard Amendt: http://www.dijg.de/amendt-kindeswohl.html und Amendt, Gerhard (2005): Vätererfahrungen nach der Trennung vom Ehe- oder Lebenspartner. Abschlubericht. Textversion ohne Statistiken. 23. April 2005, Abruf: http://members.aon.at/namendtl/media/Abschlussbericht.pdf, S. 5/6.
130 Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft [Hrsg.]: Konflikte sind gemeinsam zu lösen, von Gerhard Amendt, Abruf: http://www.dijg.de/pressemitteilungen/konflikte-ehe-partnerschaft-loesen/?sword_list%5B0%5D=amendt, Abruf: 30.08.11 und Freie Welt[Hrsg.]: Homepage: http://www.freiewelt.net/nachricht-5880/schwarzer-%FCber-die-familienministerin.html, Abruf: 30.08.11.
131 Ohms, Constance (2006): Gewalt gegen Lesben und häusliche Gewalt in lesbischen Zusammenhängen – Auswertung der Erhebungsbögen der Lesbenberatungsstellen und Lesbentelefone, S. 8 f, http://www.broken-rainbow.de/material/BR_Bundeserhebung_02_04.pdf Abruf: 30.08.11.
- Außerdem setzt er sich mit Fragen zu Elternschaft und Vaterschaft auseinander. In diesem Kontext lehnt Amendt «homosexuelle Fortpflanzung aus Interesse am Wohl der Kinder und der Kultur» ab und sieht im Kontext von Scheidungen vor allem das Problem des «Vaterschaftsverlustes» durch «Scheidungsmythen», womit er die – nicht belegte – Abwertung von Männern u.a. durch ihre Exfrauen meint.129 Eine homophobe Einstellung findet sich auch
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Autor die Ablehnung „homosexuelle[r] Fortpflanzung aus Interesse am Wohl der Kinder und der Kultur“ als eine homophobe Einstellung, was das „auch“ im nachfolgenden Satz insinuiert, bewertet, unabhängig davon, ob Professor Amendt in den verlinkten Beiträgen diese Einstellung nun vertritt oder nicht. Die Ablehnung homosexueller Fortpflanzung aus Interesse am Wohl der Kinder, insofern sie wissenschaftlich untermauert ist, kann ebensowenig als homophob bezeichnet werden, wie die Ablehnung der Adoption von Kindern an Pädophile im Interesse des Kindswohles, insofern diese Ablehnung ebenfalls wissenschaftlich unterfüttert wird als pädophob oder die Ablehnung einer Adoption von Kindern durch heterosexuelle Paare, insofern ein fundierter Zweifel am Kindeswohl besteht, als heterophob. Diskriminiert ein Wissenschafter, der begründet dafür eintritt, Phobien weiterhin als Störungen zu klassifizieren Menschen mit einer Phobie und ist somit im Weiteren phobophob? Come on!!!
In der Tat scheint es so zu sein, dass Professor Amendt in „Kultur, Kindeswohl und homosexuelle Fortpflanzung“ eine homosexuelle Fortpflanzung in Hinblick auf das Kindeswohl, begründet ablehnt. Ein Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Frage nach der kindlichen Identität. Wäre ich polemisch, würde ich mit Bezug auf ein Zitat von Amendt behaupten, dass die Anstrebung einer „nicht-identitären“ Sozialisation, welche die gezielte Herausbildung einer Identität vermeidet, damit, so wird es Amendt zufolge von einigen Proponenten der Queer theory (nach Amendt: Villa, Paula-Irene, 2001: Natürlich Queer? Sozioligische Überlegungen zu Natur, Kultur und [Geschlechts-] Körper, in: Andreas Nebelung, Angelika Proferl und Irmgard Schultz [Hrsg.], Geschlechterverhältnisse – Naturverhältnisse, Opladen: Leske und Budrich.) und wohl auch von Heiliger und Engelfried (nach Amendt: Heiliger, A. und C. Engelfried, 1995: Sexuelle Gewalt: Männliche Gewalt und potentielle Täterschaft, Frankfurt a. M./New York: Campus) vom Deutschen Jugendinstitut in Veröffentlichungen der dem Bündnis90/Die Grünen nahestehenden Heinrich Böll Stiftung (Hervorhebung, terminatus30) (nach Amendt: Krabel, Jens und Sebastian Schädler, 2001: Dekonstruktivistische Theorie und Jungenarbeit, in: Dokumentation der Heinrich Böll Stiftung, Nr. 18, S. 35 – 43) propagiert, „in der Pubertät die Option von vielen Identitäten verfügbar ist“(Amendt: Kultur, Kindeswohl und homosexuelle Fortpflanzung), für Kinder in der Regel als entfremdend und belastend wahrgenommen wird. Aber auch ohne Polemik scheint mir ein Recht auf eigene Idenität ein basales zu sein. Ist es nun homophob, homosexuelle Fortpflanzung in Hinblick auf die kindliche Identitätsbildung, sich daraus – wissenschaftlich belegt -, für das Kind resultierende Störungsmuster, begründet abzulehnen? Ist es homophob einen Teil der Begründungsstrategie pro homosexuelle Elternschaft aus der Queertheorie, welche aktiv eine nicht-identitäre Sozialisation einfordert, in Hinblick auf das Recht des Kindes auf eigene Identität, das Recht des Kindes auf Schutz vor Entfremdung abzulehnen? Ich denke nicht.
Es hat zwar keine Relevanz für die unterstellte Homophobie im ersten Teil, dennoch muss auch festgehalten werden, dass die Behauptung, Professor Amendt würde, die von Rosenbrock so ausgelegten ‚“Scheidungsmythen“ als Abwertung von Männern u.a. durch ihre Exfrauen‘ nicht belegen, unwahr ist. Professor Amendt verweist in „Vätererfahrungen nach der Trennung vom Ehe- oder Lebenspartner“ diesbezüglich in Fußnote 7 auf Sanford Braver, with Diane O´Connell: Divorced Dads. Shattering the Myths, Tarcher-Putnam, New York, 1998.
- Eine homophobe Einstellung findet sich auch [Hervorhebung, terminatus30] noch in weiteren Äußerungen. So behauptet Amendt ohne Beleg, dass «lesbische Beziehungen nach dem Stand der Forschung keineswegs himmlische, sondern erheblich gewalttätigere Verhältnisse als heterosexuelle Beziehungen sind.»130 Demgegenüber stellte Constance Ohms fest, dass es in Deutschland keine quantitativen Untersuchungen zum Vorkommen von häuslicher Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt. Der Vergleich mit anderen Ländern lege aber nahe, dass Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften «annähernd so häufig anzutreffen ist wie in heterosexuellen».131 Solche pauschalen Äußerungen ohne Belege verweisen auf tief sitzende homophobe Vorurteile [Hervorhebung, terminatus30].
Die Behauptung eines Professors, dass, nach dem Stand der Forschung lesbische Beziehungen keineswegs himmlische, sondern erheblich gewalttätigere Verhältnisse als heterosexuelle Beziehungen seien, ist eine nachprüfbare Behauptung und zieht, insofern sie stimmt, als Allgemeinplatz in einer wissenschaftlichen Disziplin auch nicht unbedingt einen Beleg nach sich. Hätte er einen solchen Beleg[1], wie z.B. die Studie L.K. Waldner-Haugrud, L.V. Gratch & B. Magruder: Victimization and perpetration in gay/lesbian relationships: Gender differences explored, in: Violence and Victims, 12 (1997), 173-184 angeführt, in welcher die Autoren zu folgendem Schluss kommen: General results indicate that 47.5% of lesbians and 29.7% of gays have been victimized by a same-sex partner, wäre er dann vom Verdacht eine Person mit „tief sitzenden homophoben Vorurteilen“ zu sein, freigesprochen worden? Ebenfalls ist Amendts Behauptung keine pauschale Äußerung. Amendt behauptet keineswegs, dass ALLE lesbischen Beziehungen erheblich gewalttätigere Verhältnisse als heterosexuelle Beziehungen seien. Das mitschwingende „im Allgemeinen“ sollte für einen akademisch gebildeten „Forscher“ (taz) eigentlich eruierbar sein. Man fragt sich, ob Rosenbrock auch Ohms tief sitzende homophobe Vorurteile unterstellt, da sie zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Pauschalisiert sie denn nicht, wenn sie von „im Vergleich … nahe legt“ spricht?
Ich kann nur abschließend sagen: Würde mich ein „Forscher“ mit solchen Behauptungen in die homophobe – was immer das auch sein soll – Ecke schieben wollen, hätte ich darüber nachzudenken, ob die Beschreitung des Rechtsweges ein gangbares Mittel wäre, um der Verbreitung solch ehrrühriger Behauptungen entgegen zu wirken.
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[1] Ich bitte darum, http://www.sciencedirect.com aufzurufen und nach „domestic violence lesbian“ zu suchen. Ich hatte einen Output von 671 Journalartikeln. Wie nun der Konsens aussieht, darüber muss sich jeder selbst informieren.