Tag: Oktober 19, 2011
Emotion – Gesichtsausdruck – Interpretation
Auf dem Blog allesevolution hat User El_Mocho angeführt, dass „der Ausdruck von gefühlen im Gesicht bei Menschen aller Kulturen gleich ausfällt“ und dies als Argument gegen den Genderismus und seine Sozialisationsthese eingebracht.
Bereits in den 80er Jahren und früher wurde darauf hingewiesen, dass bestimmte Gesichtsausdrücke in allen Teilen der Welt denselben Emotionen zugeordnet werden. So scheint es eine Universalie zu sein, ein glückliches von einem unglücklichen Gesicht, einen solchen von einem gegenteiligen Gesichtsausdruck unterscheiden zu können, wenn auch die Interpretation über die Intensität dahinter differieren mag.
Ein Dojen in dieser Forschungsrichtung – Emotionsforschung – ist Paul Ekman. Auf seiner Homepage können diverse Artikel gedownloadet werden.
Ekman schreibt z.B. in Universals and Cultural Differences in the Judgments of Facial Expressions of Emotion:
We present here new evidence of cross-cultural agreement in the judgment of facial expression. Subjects in 10 cultures performed a more complex judgment task than has been used in previous cross-cultural studies. Instead of limiting the subjects to selecting only one emotion term for each expression, this task allowed them to indicate that multiple emotions were evident and the intensity of each emotion. Agreement was very high across cultures about which emotion was the most intense. The 10 cultures also agreed about the second most intense emotion signaled by an expression and about the relative intensity among expressions of the same emotion. However, cultural differences were found in judgments of the absolute level of emotional intensity.
Auch hier finden sich einige Informationen über Ekman’s Arbeiten und Einstellungen zu „Basic-Emotions“ und seinem evolutionären Zugang. Der physiologische Aspekt ist interessant. Auf Seite 48 schreibt Ekman:
If basic emotions evolved to deal with fundamental life tasks, they should not only provide information through expression to conspecifics about what is occurring, but there should also be physiological changes preparing the organism to respond differently in different emotional states.
Interessant hierzu eine Studie aus dem Jahre 2001, in welcher festgestellt wurde „Infant girls showed fear expressions significantly earlier (3.48 weeks) than boys (4.28 weeks)“. Ließe sich dies generalisieren, wäre ein biologisch genetische Komponente nicht mehr zu verleugnen.
Letztlich können wir aus Ekmans Forschungen folgende Erkenntnisse, in den Worten Gollers, festhalten:
Belege für die Universalität des Gesichtsausdrucks existieren für die Emotionen Glück/Freude, Ärger/Wut, Ekel, Verachtung und Trauer, sowie für Furcht und Überraschung zusammengenommen.
Goller: Psychologie, 54
In meinen Augen sehr wichtig ist die Erkenntnis, dass verschiedene Emotionen, welche kulturunabhängig erkannt und zugeordnet wurden, über Aktivitätsmuster in bildgebenden Verfahren in sehr tiefen Hirnschichten, den „ältesten“, wie dem Hirnstamm, nachgewiesen wurden. Der Hirnstamm ist aber nun für dafür bekannt, dass er Strukturen beherbergt die kulturellen Einflüssen entsagen. Diese Strukturen sind an autonomen Körperfunktionen wie Herzschlag, atmen und schlucken beteiligt.
Wenn nun aber verschiedene Emotionen ihren (Mit)Ursprung in tiefliegenden Hirnregionen haben, dann verschließen sie sich kulturellen Einflüssen zum Teil – manche Emotionen lassen sich auf bildgebenden Verfahren, via Visualisierung von Aktivitätsmustern, in verschiedenen Hirnregionen nachweisen (Hirnstamm, Vorderhirn, Hypothalamus …).
Goller schreibt:
Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren zeigen, dass die Aktivitätsmuster für Traurigkeit, Zorn, Furcht und Freude verschieden sind. Jede Emotion hat ihr eigenes Aktivitätsmuster. Traurigkeit zum Beispiel aktiviert Teile des Stirnlappens des Großhirns, den Hypothalamus und den Hirnstamm, während Zorn oder Furcht weder den Stirnlappen noch den Hypothalamus aktivieren. Aktivitäten im Hirnstamm sind allen drei Emotionen gemeinsan, aber intensive Aktivierung des Hypothalamus und der genannten Teile des Stirnlappens taucht speziell bei Traurigkeit auf.
Goller: Das Rätsel von Körper und Geist, 51
Dies scheinen mir doch starke Indizien dafür zu sein, dass es eine biologisch-genetisch-physiologische Fundierung von Emotion, Gesichtsausdruck und Interpretation kulturübergreifend gibt.