Tag: Oktober 14, 2011
Millionen Hexen wurden verbrannt?!
Die erste Radikalfeministin, Mary Daly, Vordenkerin der Frauenbewegung, an deren falschen Thesen wir heute noch zu knabbern haben, schrieb 1978 das Buch Gyn/ecology: A Metaethics of Radical Feminism, in welchem sie u.a. behauptete, dass Millionen von Hexen verbrannt wurden um ein allfälliges Patriarchat und dessen unterdrückenden Charakter zu erhalten.
Professor Behringer meint in einem Artikel:
Außerhalb der professionellen Historiographie kam es jetzt in den USA zu einem rapiden Anstieg der Opferzahlen. „Millions“ ließen Barbara Ehrenreich und Deirdre English 1973 in ihrem schmalen, aber einflußreichen Büchlein „Hexen, Hebammen und Krankenschwestern“ hinrichten, einer mittlerweile klassischen Publikation der neuen Frauenbewegung, welche die Verschwörungsthese propagiert, Ärzte hätten mit Hexenverfolgungen die Frauen aus den Gesundheitsdiensten eliminieren wollen. Eines der einflußreichsten Produkte des akademischen Feminismus, „Gyn/Ecology“ von der amerikanischen Religionsphilosophin Mary Daly, erhebt diese Zahlen zum Zentralstück ihrer These vom unterdrückerischen Charakter „des Patriarchats“
Über Alice Schwarzer und andere fand Dalys Denken Einzug in die deutsche Frauenbewegung und wurde in den 70ern als wegweisend angesehen. Noch heute hört man das Geplapper über die Millionen verbrannter Hexen.
Doch wie sieht die wissenschaftliche Forschung die Zahlen?
Professor Behringer kommt in seinem interessanten Artikel zu einem gänzlich anderen Ergebnis als die Feministinnen:
Diese liegen etwa bei 30.000 wegen Zauberei oder Hexerei hingerichteten Menschen in Europa, davon über 20.000 auf dem Boden des heutigen Deutschland, wo die historischen Hexenverfolgungen ihren Schwerpunkt hatten. Allein dieser „deutsche Sonderweg“ ist schon ein guter Grund, im Geschichtsunterricht auf das Hexenthema einzugehen. Enthalten sind in der Zahl für Deutschland alle bisher belegbaren Hexenhinrichtungen, zusätzlich vorsichtige Schätzungen für noch nicht systematisch bearbeitete Gebiete auf der Grundlage dessen, was Querverweise in der zeitgenössischen Literatur, in Konsiliensammlungen, Briefwechseln etc. erwarten lassen. Man mag es als Ironie der Wissenschaftsgeschichte werten, daß die Zahl 30.000 vor Beginn der großen Hochrechnungen als eine der ersten Schätzungen überhaupt schon einmal im Gespräch gewesen ist. Daß sich diese als Untergrenze genannte Zahl wesentlich erhöhen, etwa verdoppeln könnte, ist nicht zu erwarten. Die zuletzt von Brady gegebene Schätzung von maximal 40-50.000 Opfern der Hexenverfolgungen sollte solange in Lexikoneinträgen, Zeitungsartikeln und im Geschichtsunterricht verwendet werden, bis weitere Untersuchungen gezeigt haben, ob innerhalb dieser Grenzen eine exaktere Bestimmung möglich ist.
Wohlgemerkt „hingerichteter Menschen“, nicht nur Frauen auch sogenannte Ketzer waren darunter.
Hierzu auch interessant:
Irsigler: Hexenverfolgung vom 15. bis 17. Jahrhundert. Eine Einführung, in: Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, hg. von Gunther Franz und Franz Irsigler. Redaktion: Herbert Eiden und Rita Voltmer (Trierer Hexenprozesse – Quellen und Darstellungen 4), Trier 1998, S. 3-20.
Nach der Kritik an gängigen Fehlurteilen bezüglich der Höhe der Opferzahlen und dem Anteil von Frauen und Männern daran sowie an der einseitigen Zuweisung der Verantwortung an die katholische Kirche, wird ein Erklärungsmodell für die Entstehung von großen Verfolgungswellen angeboten, das auf fünf Komponenten abstellt: (1) allgemeine Krisensituation (wirtschaftliche, politisch, religiös-konfessionell), (2) breite Kenntnis der dämonologischen Lehre im ‚Volk‘, (3) Verfolgungsdruck von unten (Gemeindeebene), (4) Förderung oder Duldung der Verfolgung durch Obrigkeiten, (5) Sonderrolle der Juristen als ‚Verfolgungsunternehmer‘ oder Profiteure. Als weiteres, aber meist erst mit Verzögerung wirksames Element erscheint die von unterschiedlichen Intentionen abhängige Chance der Instrumentalisierung von Hexenprozessen.
Zu empfehlen weiters: Walter Rummel, Rita Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit
Kurzbeschreibung:
Auf der Grundlage neuester Forschungen entwerfen Walter Rummel und Rita Voltmer ein differenziertes Bild. Sie zeigen auf, dass das Thema ein frühneuzeitliches und kaum ein mittelalterliches Phänomen ist. Dass Hexenverfolgung sich zwar mehrheitlich gegen Frauen richtete, doch Männer auch betroffen waren. Dass sie zwar von Theologen und den Kirchen aller Konfessionen unterstützt, doch wesentlich von Juristen legitimiert und von weltlichen Gerichten ausgerichtet wurde. Und dass sie schließlich den stärksten Antrieb von Seiten der Bevölkerung erfuhr, welche auf diese Weise ihre internen Konflikte austrug. Die historische Wirklichkeit der Hexenverfolgung wird hier auf ein solides, neues Fundamt gestellt.
Frau Dr. Voltmer und Professor Irsigler setzen die Zahlen an anderer Stelle wie folgt an: